Anfang Mai 2022 wurde meine Kollegin Yasmin Fahimi als neue Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) gewählt. Der DGB und seine Gewerkschaften spielen in der Themensetzung für die deutsche Sozialdemokratie eine besondere Rolle und bringen soziale und arbeitsrechtliche Forderungen auf die politische Bühne. Weltweit sind Gewerkschaften und Arbeitnehmer:innenvertretungen im Internationalen Gewerkschaftsbund (IGB) organisiert. So auch die Trade Union Confederation of Workers of the Americas (CSA), die wichtigste regionale Gewerkschaftsvertretung auf dem amerikanischen Kontinent.
Auf Initiative der Friedrich-Ebert-Stiftung hatte ich die Möglichkeit, Rafael Freire Nato, den Generalsekretär der CSA im Bundestag begrüßen zu dürfen. In Begleitung von Dörte Wollrad, die das Regionalprojekt zur Gewerkschaftspolitik der FES in Lateinamerika koordiniert, tauschten wir uns über die gewerkschaftlichen Strukturen in Lateinamerika, die Entwicklung der Plattformarbeit, die Streik- und Arbeitsrechte die während der Pandemie einen beträchtlichen Schaden erlitten haben, sowie das Handelsabkommen Mercosur, aus.
An dem Gespräch mit Rafael Freire nahmen unter anderem Praktikant:innen des Internationalen Parlaments-Stipendiums (IPS) aus Argentinien und Kolumbien teil, die Fragen zur Zukunft der Gewerkschaften in Lateinamerika stellten und die Verantwortung bei Ressourcen- und Rohstoffexporten nach Europa in Bezug auf Sorgfaltspflichten hinterfragten.
Die Herausforderungen der lateinamerikanischen Arbeitnehmer:innen sind vielfältig: die schleppende Armutsbekämpfung, die ökologischen Auswirkungen auf Klima und Natur, die eklatanten sozialen Unterschiede und ein fehlender Strukturwandel der Gewerkschaften hin zu gesellschaftlichen und politischen Akteuren, kamen bei unserem Gespräch auf den Tisch.
In den vergangenen Jahren sind die Mitgliederzahlen der Gewerkschaften in Deutschland deutlich gesunken. „Was können wir von den Gewerkschaften in Lateinamerika lernen?“, habe ich Rafael Freire am Ende der Unterhaltung gefragt. Er antwortete mir, dass europäische Gewerkschaften bis heute das Gesicht der weltweiten Arbeitnehmer:innenorganisation sind und unsere internationale Zusammenarbeit gestärkt werden muss. Nur so können in Zukunft bei internationalen Handelsverträgen und globalen Lieferstrukturen die Rechte der Arbeitnehmer:innen weltweit nachhaltig vertreten werden. Gewerkschaften sind der Motor sozialer Innovation und müssen auch weiterhin als solche tätig sein. Dem kann ich absolut zustimmen.
Vielen Dank an die Mitarbeiterinnen der FES, die dieses Gespräch begleitet und möglich gemacht haben.