Osnabrück – Brüssel – Berlin. Meine erste Delegationsreise ins Herz der EU

Seit Anfang des Jahres führte mein Weg mehr als ein dutzend Mal von Osnabrück nach Berlin zu den Sitzungen des Deutschen Bundestages. Am 27. Juni trat ich meine erste Reise in die belgische Hauptstadt Brüssel an, die neben Straßburg der Sitz des Europäischen Parlaments ist. Anlass war die Delegationsreise des Ausschusses für Arbeit und Soziales, an der Abgeordnete aller Fraktionen teilnahmen.

Auf der Tagesordnung standen Gespräche mit EU-Parlamentarier:innen zur europaweiten Verringerung der Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen, zu Mitbestimmungsrechten von Arbeitnehmer:innen  und zur Stärkung der Tarifpolitik. Daneben legte das straffe Programm einen besonderen Fokus auf die Ausgestaltung einer lang erwarteten EU-Richtlinie: das sogenannte EU-Lieferkettengesetz.

Die zukünftige Europäische Richtlinie wird die Mitgliedsländer auffordern, einheitlichere Lieferkettenstandards in ihr jeweiliges nationales Recht einzuschreiben. In Deutschland gibt es bereits ein solches Sorgfaltspflichtengesetz, das am 1. Januar 2023 endlich in Kraft treten wird. Inhalt des deutschen Gesetzes ist die Verantwortungspflicht von Unternehmen, dass bei der Herstellung ihrer Produkte keine Menschen zu Schaden kommen oder dass es entlang von Lieferketten keine Zwangs- oder Kinderarbeit gibt. Diese Verantwortung tragen Unternehmen auch, wenn sie Dienste von Zulieferern in Anspruch nehmen, die sich solchen Menschenrechtsverletzungen zu Schulde kommen lassen.

Im Laufe der Gespräche in Brüssel stellten sich Fragen, die schon bei der deutschen Gesetzgebung intensiv diskutiert wurden: Ab welcher Größe, Umsatzstärke oder Mitarbeiter:innenanzahl werden Unternehmen für Verstöße in ihren Lieferketten zur Verantwortung gezogen und was passiert, wenn sie ihrer Pflicht nicht nachkommen? Für mich ist bei diesen Diskussionen wichtig, dass es hier um die Rechte der Menschen geht, die entlang der gesamten Lieferkette und insbesondere am Anfang der Wertschöpfungskette beteiligt sind. Wenn ihre Rechte nicht geachtet werden, muss das Folgen haben für diejenigen, die womöglich sogar von diesen Umständen profitieren.

Das deutsche Lieferkettengesetz legt fest, das Gewerkschaften und NGOs Betroffene aus dem Ausland vor deutschen Gerichten vertreten dürfen. Außerdem kann bei Verstößen Beschwerde beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle eingereicht werden. Der Entwurf des EU-Lieferkettengesetzes beinhaltet u.a. eine zivilrechtliche Haftungsregel, was Menschen, deren Rechte verletzt werden, eine Möglichkeit eröffnet, die verantwortlichen Unternehmen zur Rechenschaft zu ziehen.

Am zweiten Tag der Delegationsreise nahmen meine SPD-Kollegin Angelika Glöckner und ich mit den anderen Delegierten an Treffen zu den Themen Plattformarbeit und dem Klima-Sozialfond teil. In den EU-Mitgliedsstaaten arbeiten momentan 28 Millionen Personen über digitale Plattformen. Was oft wie Selbstständigkeit aussieht, ist häufig mit großer rechtlicher und sozialer Unsicherheit verbunden. Im Austausch mit den Verantwortlichen auf EU-Ebene wurde noch einmal deutlich, dass Plattformunternehmen im Zweifel beweisen müssen, das die Menschen die in ihrem Auftrag arbeiten auch wirklich selbstständig sind. Denn wenn Arbeiter:innen in Abhängigkeitsverhältnissen stehen, sind sie angestellt. Das bedeutet, dass die Unternehmen auch ihren Arbeitgeber:innenpflichten nachkommen müssen, wie z.B. ihren Anteil an Sozial- und Krankenversicherungsbeiträge zahlen. Scheinselbstständigkeit muss europaweit entgegengewirkt werden.

Auf dem Weg von Brüssel nach Berlin zu einer weiteren Sitzungswoche, wurde mir noch einmal bewusst, wie umfangreich die europäische Koordination für Arbeitnehmer:innenrechte ist. In meiner Ausschussarbeit kommen EU-Richtlinien häufig zur Umsetzung in das deutsche Recht auf den Tisch. Deswegen ist der Austausch zwischen den nationalen und internationalen Gremien ein großer Teil der Arbeit von Abgeordneten. Die Impulse aus dem Herz der EU nehme ich für meine Arbeit in den Ausschüssen mit.